Das Engagement von Mitarbeiter*innen ist eine der zentralen KPIs für modernes Personalmanagement. Laut Aon Hewitt bezeichnet Employee Engagement den Grad der psychologischen Investition eines Mitarbeitenden bei der Arbeit. Die Wirkung engagierter Mitarbeiter*innen geht weit über eine erhöhte Arbeitsleistung hinaus.
"The ability to engage employees, to make them work with our business, is going to be one of greatest organizational battles in the coming 10 years." Mike Johnson
Also schauen wir uns die Lage der Nation zum Thema Enagegement doch mal an. Die wohl bekannteste repräsentative Erhebung des Enagements von Mitarbeiter*innen ist der Engagement Index von Gallup. Dessen deskriptive Analyse zeigt das die Engagement-Levels in Deutschland über die letzten 20 Jahre stabil auf niedrigem Niveau geblieben sind.
Das ist ein ziemlicher Reality-Check, oder? Der gleichbleibende Index der letzten 20 Jahre deutet daruaf hin, dass die bisherigen Anstrengungen zur Steigerung des Engagements von Mitarbeiter*innen keinen steigernden Einfluss auf das Niveau des allgemeinen Engagements gehabt haben. Fragt euch selbst mal: Welche Investionen in u.a. Softwaretools, Benefits, Büroambiente, technische Ausstattung, Führungskräftetrainings wurden getätigt, um Arbeit angenehmer zu gestalten? All' das kostet richtig Geld und hat lediglich ein Absinken des Engagements verhindert. Mist, oder?
Aus meiner Sicht sollten wir uns also dringend damit beschäftigen, wie das Engagement von Mitarbeiter*innen laut wissenschaftlicher Evidenz erhöht werden kann.
Welche Maßnahmen steigern das Engagement...empirisch fundiert?
Regelmäßige Leser*innen von #HRDatenliebe wissen, dass ich für die Antwort auf diese Frage eine passende Meta-Analyse zu Rate ziehen werde. Das habe ich bei der Frage nach der wirksamen Verhinderungen von freiwilligen Kündigungen ja ebenfalls gemacht. Die entsprechende Studie von Mazzetti et al. (2021) hat sich 15 mögliche Treiber von Engagement angeschaut. Diese stammen aus den folgenden Bereichen und haben in Summe eine positive Wirkung (Effektstärke in Klammern):
Soziale Ressourcen (+.36)
Arbeitsressourcen (+.37)
Entwicklungsressourcen (+.45)
Führung (+.46)
Persönliche Ressourcen (+.48)
Wie ihr sehen könnt, zeigen die persönlichen Faktoren, die vorgefundene Führungssituation und die Entwicklungsmöglichkeiten die relativ deutlichste WIrkung auf das Engagement von Mitarbeiter*innen. Die 5 wirksamsten Treiber innerhalb dieser Kategorien sind (nach Wirkstärke geordnet):
Resilienz (+.57)
Optimismus (+.55)
Proaktivität (+.55)
Lernmöglichkeiten (+.51)
Selbstwirksamkeit (+.47)
Auffällig ist, dass vier der stärksten Treiber des Engagements im persönlichen Bereich der Mitarbeiter*innen liegen. Zusätzlich zeigt sich, dass die Möglichkeiten sich über Lernen und Entwicklung beruflich auch entwickeln zu können ebenfalls sher wichtig ist.
Einschränkend muss sicherlich erwähnt werden, dass die ökonomischen Komponenten der Arbeit in dieser Analyse nicht berücksichtigt wurden. Daher wissen wir nicht, wie die Höhe des Gehalts oder die Benefits sich in diesem Ranking eingeordnet hätten.
Eure 6 Schritte zur unternehmensspezifischen Steigerung des Engagements?
Basierend auf dieser Evidenz und dem analytischen Setting dieser Studie lassen sich ein paar Leitplanken ableiten. Diese sollen euch dabei helfen, die Treiber des Engagements eurer Mitarbeiter*innen zu verstehen. Grundsätzlich macht ihr sicherlich nicht viel falsch, wenn ihr eure Anstrengungen darauf fokussiert die Mitarbeiter*innen zu stärken, eine transparente Karriereplanung und Lernumgebung in eurer Kultur verankert, und eine verstehende Führungskultur etabliert. Aber die Ergebnisse von Meta-Analysen sind immer nur ein Ausgangspunkt für eure People Analytics Teams. Meta-Analysen errechnen den durchschnittlichen Effekt von Variablen über eine große Zahl von verschiedenen Studien. Die Ergebnisse bilden also den Durchschnitt der publizierten Forschung ab. Damit können sie nicht als Evidenz für euren konkreten Unternehmenskontext genutzt werden. Für eure Reise zu Daten gestützter Engagement-Steigerung empfehle ich euch folgende Schritte:
Kontinuierliche Messung: Es reicht nicht nur einen Engagement-Index zu messen. Dann wisst ihr ja nur, wie sich das Engagement verändert, aber nicht warum. Daher solltet ihr auch die potenziellen Treiber kontinuierlich messen.
Multivariate Analyse: Einerseits ist es wichtig die gesamten Daten der Befragung gleichzeitig in ein empirisches Modell zu geben, um deren relaitve Wirkstärke zu berechnen (aka Drittvariablenkontrolle). Zugleich solltet ihr auch wichtige Daten aus euren HR-Tools exportieren und mit den Befragungsdaten integrieren (z.B., Fehlzeiten, Fluktuation, Alter, Geschlecht, Managementlevel, Teamgröße).
Interpretation der Ergebnisse: Die genutzten Analysemodelle werden komplexere Ergebnisse liefern, die nur mit ausreichendem Fachwissen in multivariater Statistik zu verstehen sind. So müsst ihr z.B. die Qualitätsmerkmale und Grenzen von Regressionsmodellen kennen. Dazu braucht ihr entweder Weiterbildung oder die entsprechenden Talente vom Arbeitsmarkt.
Ableitung von Handlungsoptionen: Dann kommt die Kür. Egal wie gut eure Modelle sind, ihr benötigt eine saubere Inferenz. Also eine fachkundige Übertragung der interpretierten Ergebnisse in machbare Handlungsmaßnahmen. Hier bildet ihr am besten silo-übergreifende Teams auf HR-Professionals, Gremienmitgliedern, Mitarbeiter*innen und Führungskräften.
Dokumentation der Handlungsmaßnahmen: Für langfristigen Erfolg ist es sehr sinnvoll, wenn ihr die umgesetzten Handlungsmaßnahmen gut dokumentiert. Am besten findet das direkt in eurer Datenbank oder einer entsprechenden Software statt, die die Daten zu den Maßnahmen (z.B. Zeitpunkt, Umfang, Kosten) direkt in eure Datenbank einspielt.
Teilautomatisierte Maßnahmenempfehlung: Über die Zeit kann mit Hilfe von People Analytics dann die Wirkung der verschiedenen Maßnahmen auf die Steigerung des Engagements differenziert ausgewertet werden. Basierend auf dieser Auswertung, können KI-basierte Systeme dann sogar teil-automatisierte Maßnahmenvorschläge an Führungskräfte ausspielen. Evidenzorientierung pur!
Viel Erfolg bei eurer Reise zur evidenzbasierten Steigerung des Engagements eurer Mitarbeiter*innen. Lasst mich gerne wissen, wie es läuft. Vielleicht habe ich ja die ein oder andere hilfreiche Idee oder Empfehlung.
Additional information: This article reflects my personal views only and is not necessarily the view of the companies, I am associated with.
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