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AutorenbildDaniel

Die 4-Tage-Arbeitswoche: Studie zeigt Vorteile, aber keine eindeutigen Ursache-Wirkungs-Beziehungen

Wir alle verbringen einen erheblichen Teil unserer Zeit bei der Arbeit. Also bewegt uns das Thema. Wie immer bei mir: Erstmal Daten als Kontext!


Daten aus den USA zeigen, dass arbeitende Menschen durchschnittlich 7,75 Stunden pro Tag arbeiten (ca. 38,5 h/Woche). In Europa liegt die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit bei ca. 36 Stunden und variiert zwischen 32 Stunden (Niederlande) und 40 Stunden (Griechenland). In den meisten Ländern arbeitet man in Vollzeit verteilt auf 5 Wochentage. Belgien hat im November ein Gesetz verabschiedet, nach dem Arbeitnehmer*innen auf Wunsch nur noch 4 Tage pro Woche arbeiten können. Allerdings nicht durch eine Reduktion der Gesamtarbeitszeit.


In den letzten Jahren hat das Konzept der 4-Tage-Woche immer mehr Aufmerksamkeit bekommen. Was ist die Idee dahinter? Ganz einfach: Mitarbeiter*innen arbeiten anstatt fünf Tagen nur noch vier Tage pro Woche, bei gleichem Gehalt und gleicher Arbeitszeit pro Tag. Laut einer Umfrage von EY aus 2022 haben bereits ca. 40% der befragten Firmen konkrete Pläne zur Umsetzung einer 4-Tage-Woche oder haben diese bereits umgesetzt. Naja, Umfragen sind ja insbesondere bzgl. geplantem Verhalten ("Wir sind das am planen!") eher mit Vorsicht zu genießen. Schon konkreter sind die vielen Beispiele von Firmen, die dieses Modell in den letzten Jahren bereits eingeführt haben.


4-Tage-Woche sinnvoll? Eine Pilotstudie soll Klarheit bringen

In Großbritannien wurde 2022 ein Pilotprojekt gestartet, um die Auswirkungen einer 4-Tage-Arbeitswoche genauer zu untersuchen. Diese Trailphase der 4-Tage-Woche wurde in 61 Firmen mit ca. 2900 Mitarbeiter*innen über einen Zeitraum von Juni bis Dezember 2022 durchgeführt. Das Projekt wird von der unabhängigen Denkfabrik Autonomy geleitet und von verschiedenen Universitäten (u.a. Oxford, Cambridge und Boston University) wissenschaftlich begleitet. Und das merkt man der Studie auch an. Jetzt wurden die ersten Ergebnisse der Trialphase veröffentlicht. Die Autor*innen der Studie ziehen eine sehr positive Bilanz. Hier in Kurzform ein paar Ergebnisse:

  • 56 von 61 Firmen wollen das Arbeitsmodell fortführen

  • 18 Firmen kündigen an, dass die 4-Tage-Woche nun permanent bleiben soll

  • 39 % der Mitarbeiter*innen fühlen sich weniger gestresst

  • 71 % der Mitarbeiter*innen geben reduzierte Burnout-Empfindungen an

  • 54 % der Mitarbeiter*innen sehen eine Verbesserung ihrer Work-Life-Balance

  • 60 % der Mitarbeiter*innen können ihrer Care-Arbeit besser nachkommen

  • Die Umsätze der Trial-Unternehmen sind im Durchschnitt um 1,4 % gestiegen

  • Die Fluktuation ist bei den Trialunternehmen in 6 Monaten um 57 % gesunken

Das ließt sich ja wirklich sehr positiv. Und wie zu erwarten war, drehen die Presse und die sozialen Medien durch. Die meisten Reflektionen dieser Studienergebnisse sind eine Version von: "Altaaaaa, mach jetzt die 4-Tage-Woche! Die Wissenschaft stützt das!"


Wann immer ich zu viel Einigkeit in der Meinungslandschaft sehen, werde ich skeptisch und schaue in die Daten. Also: Ich habe mir die Zeit genommen, die Details der Studie anzuschauen!


Es gibt ein paar Faktoren, die diese Studie besonders positiv von eher populärwissenschaftlichen Marktforschung und Umfragen abheben.

  • 🧡 Vorher-Nachher-Design der Studie:

Alle Daten wurden vor und nach der Testphase erhoben. Dies ermöglicht einen unternehmensinternen Vergleich, der hilft, die Entwicklung der KPIs zu verfolgen.

  • 🧡 Multimethoden-Ansatz zur Datenerhebung:

In der Studie wurden Wirtschafts- und Umfragedaten zu Unternehmensmerkmalen, Unternehmensleistung und Erfolgskennzahlen der Mitarbeiter verwendet. Auch dies ist besser, als sich nur auf eine Form von Daten zu verlassen.

  • 🧡 Einbeziehung von wirtschaftlichen und sozialen Erfolgsindikatoren:

Die Studie umfasst harte und weiche Erfolgsindikatoren wie die Einnahmen eines Unternehmens, seine Erfahrungen oder sein Wohlbefinden. Das ist großartig, um die vielschichtigen Auswirkungen der 4-Tage-Woche zu zeigen.


Reicht dieses Setup, um klar zu belegen, dass die 4-Tage-Woche die Ursache für die zitierten Ergebnisse ist. Mal wieder ist es wichtig, sich mit den Details zu befassen.


Warum bin ich vorsichtig mit der Aussage "Die 4-Tage-Woche hat die Produktivität erhöht und das Burnout verringert?

  • 🤔 Keine Kontrollgruppe von Firmen ohne 4-Tage-Woche:

In dem zitierten Bericht konnte ich keine Informationen über den Vergleich der Unternehmen mit dem Erfolg von Unternehmen ohne die 4-Tage-Woche finden. Das ist nicht optimal. Viele Wissenschaftler würden hier einen Difference-in-Difference-Vergleich bevorzugen. Ziel ist dabei, dass man die Entwicklung der Erfolgskennzahlen (z.B. Fluktuation, Umsatz, Well-Being, Life-Balance) vor und nach der Einführung einer 4-Tage-Woche in den teilnehmenden Unternehmen anschaut (Treatmentgruppe). Gleichzeitig schaut man sich die selben Kennzahlen für nicht an der Studie teilnehmenden vergleichbaren Unternehmen an (Kontrollgruppe). Nur wenn die Kennzahlen in der Treatmentgruppe signifikant stärker ansteigen, als in der Kontrollgruppe, hat man ein erstes belastbares Indiz für eine Ursache-Wirkungs-Beziehung der 4-Tage-Woche. Da hier die Kontrollgruppe fehlt, wissen wir auf Basis dieser Studie eigentlich nicht, ob Unternehmen mit 5-Tage-Woche im gleichen Zeitraum nicht sogar erfolgreicher waren.

  • 🤔 Keine statistische Kontrolle für Konjunktur und Trends:

Die Einnahmen sind bei den Firmen der Studie gestiegen. Aber wir wissen nicht, ob dieses Wachstum der Unternehmen wirklich stärker war als das allgemeine Wirtschaftswachstum. Wenn die Wirtschaft allgemein wächst, was nach einer Pandemie nicht unwahrscheinlicht ist, dann wäre ein Umsatzwachstum nicht automatisch der 4-Tage-Woche zuzurechnen. Ebenso verhält es sich mit dem Krankenstand. Dieser ist in diesen Unternehmen gesunken. Okay. Aber ist er aufgrund des Ausklingens der COVID-Pandemie oder durch ein vermehrtes Home-Office und das dadruch geringere Ansteckungsrisiko mit Krankheiten zurückgegangen?

  • 🤔 Die Stichprobe besteht größtenteils aus sehr kleinen Unternehmen:

88 % der an der Studie beteiligten Unternehmen haben weniger als 100 Beschäftigte. Sind die Ergebnisse auf größere Unternehmen übertragbar? Wir wissen es nicht.


4-Tage-Woche: Ja oder Nein?

Meine persönliche Schlussfolgerung aus Basis dieser Studie wäre daher etwas differenzierter. Wie gewohnt vielleicht auch nicht so sexy, wie sich die Presse das wünscht. Aber wenigstens nah an der Datenlage und damit an Evidenz ausgerichtet...und nicht am Bauchgefühl!

  • 💡Eine Reduzierung der Arbeitstage ohne Lohneinbußen wird von euren Beschäftigten wahrscheinlich begrüßt. Weniger Arbeitszeit bei gleicher Kohle...sh** up and take my money (Engagement-Effekt).

  • 💡Die Mitarbeiter*innen werden sich wahrscheinlich an Ihr Unternehmen gebunden fühlen, weil sie diese Änderung vorgenommen haben. Zugleich gibt es ja kaum andere Firmen, bei denen eure Mitarbeiter*innen ähnliche Konditionen finden (Bindungseffekt).

  • 💡Die Mitarbeiter*innen werden die erhöhte Freizeit wahrscheinlich so nutzen, dass sie private und berufliche Aufgaben besser verbinden können. Daher reduziert sich theoretisch der Stress (Gesundheitseffekt).

Definitiv sind die Ergebnisse der Studie aber mit Vorsicht zu gennießen.

  • 👉 Aus der Studie kann noch nicht geschlossen werden, dass die 4-Tage-Woche alle diese positiven Effekte tatsächlich verursacht. Der Effekt kann für euer Unternehmen unterschiedlich sein. Daher solltet ihr die Einführung auch mit Hilfe geeigneter Analysemethoden sauber bewerten.

  • 👉 Aufgrund der Stichprobe schlage ich vor, die Ergebnisse nicht über kleine Unternehmen im Vereinigten Königreich hinaus zu verallgemeinern.


Dennoch liefert die Studie wichtige Erkenntnisse darüber, wie eine 4-Tage-Arbeitswoche in der Praxis umgesetzt werden kann und welche Vorteile sie theoretisch bieten kann. Sie liefert auch vorsichtige erste Hinweise für mögliche positive Folgen. Unternehmen, die ein solches Modell in Betracht ziehen, sollten jedoch darauf achten, die Arbeitsabläufe und Personalplanung entsprechend anzupassen, um eine gleichmäßige Arbeitslast und hohe Produktivität sicherzustellen. Auch ist es wichtig, die individuellen Bedürfnisse und Vorlieben der Mitarbeiter*innen zu berücksichtigen, um ein solches Modell nicht einfach über alle Menschen auszurollen. Die Studie, vielleicht unter Berücksichtigung meiner Ergänzungen, liefert eine Blaupase für die analytische Begleitung der Umsetzung in eurem Unternehmen.


 
 

Additional information: This article reflects my personal views only and is not necessarily the view of the companies, I am associated with.

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